von Vera Dwors
Bathini Kowane ist Modedesignerin in Johannesburg, Südafrika. Die COVID-19-Pandemie hat ihr Unternehmen stark beeinträchtigt: weniger Arbeitskräfte, die Notwendigkeit zu schrumpfen und die Herausforderung, das Unternehmen dennoch weiter am Leben zu halten. Einige der Boutiquen im Land, in denen sie ihre Kleidung vor der Pandemie verkauft hatte, wurden geschlossen oder verkaufen ihre Ware jetzt ausschließlich online. Sie hofft, dass die Situation mit der Besserung der Corona-Lage auch für ihr junges, kreatives Unternehmen wieder besser wird. Schließlich plant Bathini Kowane als nächsten Schritt für ihr Business, in den Export zu gehen und sich vor allem die amerikanischen und europäischen Märkte zu erschließen.
Mit rund drei Billionen Dollar pro Jahr macht die weltweite Textilbranche einen höheren Umsatz im Vergleich beispielsweise mit der Autoindustrie. Über 100 Milliarden Kleidungstücke werden pro Jahr hergestellt, wobei die negativen Auswirkungen auf die jeweiligen Produktionsstandorte kaum noch zu ignorieren sind. Menschen, Umwelt und das Klima leiden unter dem extremen Ressourcenverbrauch, dem hohen Energiebedarf und dem intensiven Einsatz von Chemikalien an beinahe jedem Punkt der Lieferkette. Die Zahl der Berichte über die Missstände in Färbereien und Nähereien in Ländern wie Bangladesch, Pakistan oder China steigt und wird verstärkt auch in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Doch wie sieht es auf dem afrikanischen Kontinent aus? Wie ist die Bekleidungsbranche beispielsweise in Südafrika aufgestellt?
„Nächster Halt: Afrika“
So titelte bereits vor mehr als zehn Jahren eine große deutsche Tageszeitung und das mag zunächst sinnvoll erscheinen. Noch in den 1970er Jahren war die Textilindustrie eine der wichtigsten Arbeitgeber*innen beispielsweise in Ostafrika. Eine halbe Millionen Menschen verdienten in der Branche ihren Lebensunterhalt. Nur wenige Jahre später sah das schon ganz anders aus: Der afrikanische Kontinent importiert über 80 Prozent neu gefertigter Bekleidung und sogar traditionelle Kleidungsstücke werden zu großen Teilen in anderen Regionen der Welt hergestellt. Die heimische Produktion ist durch den internationalen Preiskampf und die starke Konkurrenz vornehmlich in Asien fast völlig ruiniert. Hinzu kommen die Tonnen an Altkleidern, die vor allem aus Europa den afrikanischen Kontinent überrollen. Allein in Deutschland wandern jedes Jahr etwa 1,5 Tonnen gebrauchte Kleidungsstücke in die Sammelcontainer. Der Inhalt geht zum großen Teil als Spende auf den afrikanischen Kontinent und deshalb können dort die alten Hemden, Hosen oder auch Schuhe zu unschlagbar günstigen Preisen weiterverkauft werden. Dieser Preisvorteil ist von der einheimischen Produktion in der Regel nicht aufzuholen. Zu einem besonders fragwürdigen Kreislauf wird diese Praxis ab dem Moment, wenn zunehmend Modeketten aufgrund gestiegener Lohnkosten beispielsweise in Bangladesch ihre Produktion auf den afrikanischen Kontinent verlegen.
Einige Länder – darunter auch Südafrika – wehrten sich deshalb bereits vor einigen Jahren gegen die weitere ungehemmte Zufuhr an gebrauchten Textilien. Die Reaktion der Staaten, aus denen die Altkleider geliefert werden, ließ nicht lange auf sich warten – angekündigte Einfuhrbeschränkungen wurden umgehend mit Sanktionsdrohungen beantwortet. Der Einfuhranteil an Textilien auf den afrikanischen Kontinent ist also weiterhin viel zu hoch. Dieses Missverhältnis sollte endlich ausgeglichen werden. Und schließlich: In vielen Ländern – auch in Südafrika – gibt es viele Menschen ohne Einkommen und mit unsicheren Arbeitsverhältnissen – eine gute Option, die Textilbranche neu zu beleben. Und mehr noch – es heißt mittlerweile immer öfter Decolonize Fashion in Südafrika.
Decolonize Fashion
Seit 2021 gibt es beispielsweise die Fezile Fashion Academy als Zentrum für junge Kreative in der Modebranche – gegründet von Fezile L. Mdletshe, einer ehemaligen Dozentin der Durban University of Technology. Im Fokus steht hier, neben der Vermittlung von Design, alles Wissenswerte über die Branche von der Unternehmensführung bis zur Produktion sowie Kursen in Schnittmustererstellung für eigene Entwürfe oder in Textilgeschichte.
Und hier sollen die Student*innen nicht nur von westlichen Modehäusern lernen und sich an ihnen orientieren, sondern konkret den eigenen, südafrikanische Markt im Blick haben. Die Gründerin der Akademie beschreibt dieses Alleinstellungsmerkmal der Einrichtung in einem Interview so: “Wir haben die Verantwortung zu lehren, wer wir als schwarze Menschen sind. Wenn wir unterrichten, wollen wir, dass es widerspiegelt, wer wir sind. Unser Ziel ist es, die Jugend zu fördern, die in den Townships keinen Zugang zu einer hochwertigen Modeausbildung hat. Wir wollen junge Menschen und vor allem Frauen dazu befähigen, Spitzenleistungen zu erbringen.”
Es braucht gute Beispiele und Empowerment
Auch die Lutheran Community Outreach Foundation – die Evangelische Stiftung für Diakonie – unterstützt Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Johannesburger Stadtteil Hillbrow dabei, ihre eigenen Potentiale zu entdecken und zu nutzen. Es gibt in den Räumlichkeiten der Organisation Theater- und Musikkurse sowie Nachhilfeunterricht und Ferienbetreuung. Außerdem nehmen allein 1.500 Jugendliche und junge Erwachsene an verschiedensten Ausbildungskursen teil, unter anderem erlernen sie dort Kochen, Maurern und Nähen. Hier lernen die Teilnehmer*innen Kleider, Hemden oder Hosen zuzuschneiden und mit Industrienähmaschinen umzugehen. Außerdem werden auch hier die wichtigen Dinge vermittelt, um den Absolvent*innen der Kurse den Aufbau eines eigenen Business in der Textilbranche zu ermöglichen. Brot für die Welt unterstützt dieses wichtige Projekt in Südafrika.
Bathini Kowane hat im Rahmen einer Veranstaltung des Südafrika Forums NRW deutlich gemacht, wie wichtig Empowerment ist: Für eine schwarze Frau in Südafrika sei es nicht leicht, ein Unternehmen zu gründen, sagt sie, gerade auch hinsichtlich der finanziellen Ressourcen – auch sie hat ihre privaten Ersparnisse investiert. Die gesellschaftlichen Perspektiven auf Frauen in Südafrika und deren Mutterrolle mache es zudem schwer, Zeit in ein eigenes Unternehmen zu investieren. Für Männer treffe dies nicht zu. Und es mangele heute immer noch an ausreichend weiblichen Mentorinnen und Vorbildern in der südafrikanischen Industrie.
Vera Dwors ist Promotorin für entwicklungspolitische Bildungsarbeit in der Fachstelle Südafrika beim Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe).
Foto: Brot für die Welt